Unkonkreter Planungsvertrag

Dipl.-Ing. (FH) Uwe Halbach | Bauherrenfehler
24. Februar 2010 um 17:56 Uhr

zur Beachtung!

Unkonkreter Planungsvertrag

In dem Ingenieurvertrag über die Planung der Abwasseranlage der „***siedlung“ bis Anschluß der **** Straße wurde vereinbart, daß

  • die Baumaßnahmen bzw. die Planung dem wasserrechtlichen Verfahren unterliegt;
  • die „Allgemeinen Vertragsbedingungen für Ingenieurleistungen in der Ausgabe 1986 (AVB-ING) gelten;
  • die HOAI in der Fassung vom 1.1.1991 gilt und
  • die Bestimmungen über den Werkvertrag (§§ 631 ff BGB) gelten.

Des weiteren sollte die Klägerin die Phasen 1 bis 4 des Leistungsbildes nach § 55 HOAI erfüllen.

In § 3 (2) des Vertrages wurden weiter die Planungsphasen 5 bis 9 genannt. Nach § 3 (4) stellen sie aber eine Absichtserklärung des Beklagten mit Einschränkungen dar. Eine Einschränkung des § 3 (4) lautet: „Die Übertragung erfolgt schriftlich.“

Eine Schwierigkeit für den Sachverständigen stellt sich bei der Klärung der vertraglich vereinbarten fachlichen Aufgabe. Der Sachverständige hat auch das „Vorhandensein der zugesicherten Eigenschaften“ zu bewerten (Bayerlein [12, S. 180]). In dem Vertrag wurden aber keine konkreten Eigenschaften zugesichert.

Zum fachlichen Planungsauftrag wurde als genaue Bezeichnung der Baumaßnahme nur vereinbart:

„Abwasseranlage ***siedlung bis *** Straße“.

Was konkret, mit welchen Methoden und welchem Leistungsumfang zu untersuchen und zu planen ist, oder was unter dem Begriff „Abwasseranlage“ genau zu verstehen ist, wurde in dem Vertrag nicht festgelegt.

Der Planungsauftrag ist sehr unkonkret und entspricht eher einer globalen Aufgabenstellung mit einem fachlich fast unbegrenzten Gestaltungsspielraum.

Der Begriff Abwasseranlage ist nicht eindeutig als Fachtermini deklariert. Ist eine Kläranlage, ein Kanalnetz oder vielleicht beides gemeint? In Fachkreisen wird auch von Entwässerungsanlagen [18] gesprochen.

Gehört die Regenwasser- und Bachwasserableitung zur vertraglich vereinbarten Abwasseranlage oder nicht?

Wo beginnen die Sonderleistungen?

Sind Sonderleistungen erforderlich, um die Planungsaufgabe anspruchsvoll zu erfüllen?

Wenn fachlich eindeutige Vertragsverhältnisse notwendig sind und gewünscht werden, dann muß auch das Vertragsverhältnis den Eigenheiten des Planungsprozesses entsprechen. Tatsache ist, daß jede Planung Prozeßcharakter trägt.

Der Prozeß selbst ist ein Erkenntnisprozeß. Zu Beginn einer Planung sind die Vorstellungen noch recht vage. Mit fortschreitendem Erkenntnisprozeß wird das Planungsziel präzisiert. Damit werden vertragsrelevante Abstimmungen notwendig, ob das präzisierte Planungsziel auch noch den Notwendigkeiten des Auftraggebers genügt; ob er aufgrund der neuen Situation ganz andere – dem Planer noch nicht bekannte Überlegungen – hat, oder ob z.B. eine Planung abgebrochen werden muß. Insofern ist es bei der Vergabe einer Planungsleistung in den Phasen 1 bis 4 höchstwahrscheinlich und normal, aber wenig beachtet, daß nach Vorlage der Vorplanung die ursprünglich vertraglich vereinbarte Aufgabenstellung überholt und zu konkretisieren ist.

Das Risiko für beide Parteien, daß Honorarstreitigkeiten, Fehlplanungen oder Abnahmeverzicht entstehen, ist nur durch eine schrittweise konkrete Vergabe von Planungsaufträgen, deren sukzessive Präzisierung und Aktualisierung, Verteidigung oder Zwischenverteidigung der Leistungen und schließlich die Abnahme der einzelnen Planungsleistungen zu minimieren.

Der Planungs- bzw. Erkenntnisprozeß ist nachvollziehbar zu dokumentieren bzw. zu beweisen.

Die vertraglich formulierte Aufgabe „Abwasseranlage ***siedlung bis *** Straße“ genügt in diesem Umfang und bei der fachlichen Unverbindlichkeit den Anforderungen eines Vertrages für die Erarbeitung einer Studie oder ggf. auch einer Vorplanung über die grundsätzlichen Möglichkeiten der Abwasserableitung für das betreffende Gebiet; ist aber zu unkonkret für die Aufgabenstellung einer Entwurfsplanung.

Der Sachverständige hat sich nicht davon leiten lassen, ob die Leistungen der Klägerin durch den Ingenieurvertrag begründbar sind, sondern ob die im Rechtsstreit gegenständlichen und erforderlichen Leistungen erbracht wurden.

Zusammenfassung:

Insgesamt ergibt sich für den Sachverständigen die Schwierigkeit, eine Planungsleistung in Bezug auf den abgeschlossenen Honorarvertrag zu beurteilen, wenn im betreffenden Honorarvertrag keine konkreten fachlichen Aufgaben und kein hinreichend konkreter und umfangreicher Leistungsumfang vereinbart wurde.

Diese Bewertung der Konsequenzen ist eine juristische Frage, die die Aufgabe des Sachverständigen übersteigt.